Frühling in Bogotá
Freitag, 22. Februar 2013
Guerrillas - Hintergründe
Der Konflikt zwischen Guerrillagruppen und Militärs oder Paramilitärs in Kolumbien ist für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar. Von beiden Seiten haben sich über die Jahrzehnte Gruppen abgesplittert, die heute zum großen Teil kriminelle Vereinigungen und entscheidend am Drogenhandel beteiligt sind.

In dem knapp 50 Jahre dauernden Konflikt wurden Schätzungen zufolge bislang 600.000 Menschen getötet. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden zudem vier Millionen Menschen vertrieben. Alle bisherigen Versuche, Frieden zu schließen, scheiterten. Die erneuten Friedensverhandlungen in Kuba zielen darauf ab, den ältesten Konflikt in Lateinamerika endgültig zu beenden.

Zu der Entführung zweier deutscher Rentner im Nordosten Kolumbiens durch die zweitgrößte Guerrillagruppe ELN schreibt der Spiegel (http://www.spiegel.de/politik/ausland/angebliche-entfuehrung-von-zwei-deutschen-in-kolumbien-wer-ist-eln-a-881551.html):

Seit einem halben Jahrhundert tobt in Kolumbien ein blutiger Bürgerkrieg. Millionen Menschen sind vor den Kämpfen zwischen Guerilla und Regierungsarmee sowie Paramilitärs geflohen. Die größten Guerilla-Organisationen sind Farc und ELN - beide werden von den USA und der Europäischen Union als "Terrorgruppen" eingestuft.

Wer ist die ELN? Was treibt sie an? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was ist die ELN?

Die Gruppe Ejército de Liberación Nacional (zu Deutsch: Nationale Befreiungsarmee, ELN) ist die zweitgrößte in Kolumbien agierende Guerilla-Armee. Sie gilt ebenso wie die Farc heute als geschwächt.

Die ELN hatte in den neunziger Jahren schätzungsweise bis zu 5000 Kämpfer, diese Zahl ist rapide gesunken. 2009 waren es nach Schätzungen des Council on Foreign Relations 2200 bis 3000 Mitglieder, Ende 2012 nach Informationen des kolumbianischen Verteidigungsministeriums nur noch 1500.

Die Gruppe wurde Mitte der sechziger Jahre von Studenten, katholischen Radikalen und linken Intellektuellen gegründet. Ihr Vorbild: die kubanischen Revolutionäre um Fidel Castro. Ihr erklärtes Ziel: das Elend der Kleinbauern bekämpfen. Der bekannte kolumbianische Priester Camilo Torres schloss sich den Rebellen Mitte der sechziger Jahre an, weil er glaubte, die sozialen Verhältnisse in Kolumbien könnten nur durch eine Revolution geändert werden. Torres wurde 1966 von der Armee erschossen.

Was sind die Ziele der ELN?

Die ELN ist insbesondere im ölreichen Nordosten des südamerikanischen Landes aktiv. Sie fordert vor allem die gerechtere Verteilung von Ressourcen - sie griff daher oft ausländische Erdölgesellschaften an, sprengte Pipelines in die Luft und verlangte die Verstaatlichung kolumbianischer Ölfelder.

Über die Jahrzehnte des Bürgerkriegs traten die politischen Ziele der Rebellen zunehmend in den Hintergrund. Erst Entführungen und später auch der Kokainhandel wurden Haupteinnahmequellen der Milizen. Amnesty International wirft der Gruppe schwere Menschenrechtsverstöße vor, darunter die Beseitigung von Gegnern, Geiselnahmen, das Rekrutieren von Kindersoldaten.

Außerdem ist die ELN für unzählige Morde verantwortlich: Bürgermeister und andere Amtsträger wurden erschossen, Zivilisten bei Anschlägen getötet, vermeintliche Verräter hingerichtet. Die Zivilbevölkerung, die die Guerilleros angeblich schützen wollten, litt immer mehr unter ihnen. Die ELN verminte Felder, nutzte Dörfer als Deckung - und nahm den Tod von Unschuldigen billigend in Kauf.

Welche Rolle spielen Entführungen?

Mit Entführungen verdiente die ELN in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld. Mal wurde ein Flugzeug gekapert, mal Kirchgänger während einer Messe verschleppt. Oft wurden wohlhabende Kolumbianer verschleppt, um Lösegeld zu erpressen. Unter den Opfern sind aber immer wieder auch Ausländer - auch Deutsche. Im Mai 1988 etwa entführten die ELN unter anderem zwei deutsche Honorarkonsuln. Pro Jahr sollen in den neunziger Jahren Dutzende Ausländer verschleppt worden sein.

Aufsehen erregte die Entführung eines deutschen Angestellten der Düsseldorfer Firma Mannesmann Anlagenbau AG 1984. Der Konzern wollte eine Pipeline durch von ELN kontrolliertes Gebiet bauen. Mannesmann soll unter anderem Millionen Dollar Lösegeld gezahlt haben. Die kolumbianische Regierung warf der Firma vor, dass die geschwächte ELN sich damit wieder habe aufbauen können.

Die wohl bekannteste Entführung der vergangenen Jahre ereignete sich 2002 - verübt von der Farc. Die kolumbianisch-französische Grünenpolitikerin Ingrid Betancourt wurde von Rebellen entführt, konnte erst sechs Jahre später zusammen mit 14 anderen Geiseln befreit werden.

Die Zahl der Entführungen ist laut Kolumbiens Präsident Santos aber in den vergangenen Jahren "um 90 Prozent zurückgegangen". In einem Interview mit dem SPIEGEL sagte er 2011: "Vor zehn Jahren galten wir als nahezu gescheiterter Staat, heute sind wir eine lebendige Demokratie."

Die neue Entführung von zwei Deutschen durch die ELN torpediert die Bemühungen Kolumbiens, sich als friedlicher Staat zu präsentieren. Kolumbien-Expertin Sabine Kurtenbach vom Giga Institut Hamburg vermutet, die ELN versuche jetzt, neue Aufmerksamkeit zu erlangen: "Es könnte ein Mittel sein, um in die Medien zu kommen und nicht vergessen zu werden."

Hier noch zwei weiterführende Links:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/kolumbien-farc-rebellen-und-regierung-verhandeln-in-oslo-a-861987.html

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89932571.html

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